Früher strahlte die vergoldete Front des St.-Veits-Doms bei Sonnenschein die darunter liegende Stadt an. Irgend jemand kam jedoch auf die Idee, ein Verwaltungsgebäude vor diese Front zu bauen, so dass es heute nur noch den Mythos gibt. Trotzdem: Prag, die goldene Stadt.

Wir haben gestern die verschiedenen Angebote für Stadtführungen durchgelesen, die in der Hotellobby auslagen. Eine hat unsere Aufmerksamkeit erregt, und für diese haben wir uns dann auch entschieden: Prag zu Fuß in vier Stunden. Man könnte es auch in sechs Stunden machen, aber da ist einfach noch eine Tramfahrt sowie ein Mittagessen dabei, und das muss wahrlich nicht sein. Außerdem wollen wir uns keinen Stress machen: Wir haben schließlich Urlaub.

Treffpunkt ist zu ziviler Zeit um 11:00 Uhr vormittags vor der astronomischen Uhr am Marktplatz. Also müssen wir erst einmal den Berg hinunter und über die Karlsbrücke gehen.

Schon verblüffend, wie grün die Stadt ist, wenn man die richtigen Stellen kennt.

So steil ist der Weg hinab zur Karlsbrücke.

Das Gewusel auf der Karlsbrücke wird verstärkt durch die Restaurierungsarbeiten, durch die die verfügbare Breite halbiert wird und die parallel zum ganz normalen touristischen Wahnsinn durchgeführt werden. Sollte man etwas die Brücke und damit die wichtigste Einnahmequelle der fliegenden Händler einfach für drei Jahre schließen? Das wäre das sichere Aus für jeden verantwortlichen Politiker.

Unser Treffpunkt.

Komische Typen stehen da herum.

Hier ist der Platz einmal ausnahmsweise fast leer.

Keine Angst, ich werde jetzt nicht alle Fotos, die während des Stadtrundgangs geschossen wurden bzw. die uns von unserem Guide in Form einer DVD gegeben wurden, hier abbilden. Ein paar wenige habe ich herausgesucht, die exemplarisch die Schönheit der Stadt zeigen sollen.

Unser Guide führt uns eher die Nebenstraßen entlang, dadurch entgehen wir dem touristischen Hauptstrom, sehen aber trotzdem die wichtigen Dinge.

Zum Beispiel diesen Brunnen, der in der Renaissance zum Schutz vor Brunnenvergiftern hinter Gitter kam.

Prag war nicht nur Zentrum von Verwaltung, Kunst, Kultur und Wissenschaften, es wurde auch rege Handel getrieben. Dies hier ist das Haus des Werkzeughändlers Rott, der fast alle Handwerker mit den notwendigen Werkzeugen ausstattete. Durch das Vermögen, das er dadurch ansammelte, konnte er Stück für Stück fast den ganzen Block kaufen, in dem heute ein Cafe Rott, ein Hotel Rott, ein Antiquariat Rott und immer noch ein Werkzeuggeschäft Rott zu finden sind. Seine Tochter vertrieb sich ihre Zeit mit der Unterstützung von lokalen Künstlern, zeitweise lebte eine ganze Generation von Schriftstellern und Malern durch ihre Tantiemen.

Ein wichtiger Antrieb für das Wachstum und die Prosperität der Stadt war die freundliche Rivalität von Tschechen und Deutschen. Wenn sich eine Gruppe ein besonderes Gebäude leistete, musste die andere sofort etwas Vergleichbares oder gar Besseres bauen. So gab es eine deutsche und eine tschechische Bibliothek, eine tschechische und eine deutsche Philharmonie, ein deutsches und ein tschechisches Theater etc. Dies hier ist die “Ceská Filharmoni”.

Der Hradschin mit all seiner Pracht und den vor Kurzem wieder zum Leben erweckten Weinbergen.

Die Erbfolge der Ämter hat selbst die Zeit der Besatzung und des Kommunismus überdauert: Dies ist der Schwarzenbergpalais. Schwarzenberg war ein sehr einflussreicher und wichtiger Minister von Maria Theresia, er hatte nach meinen Informationen das Amt des Schatzkanzlers inne. Und jetzt raten Sie mal, wie der Außenminister Tschechiens heißt. 😉

Die Deutschen in Prag hatten immer einen sehr starken Einfluss auf die Kultur gehabt. Exemplarisch soll mit diesem Denkmal von Franz Kafka daran erinnert werden. Kafka sah sich selbst immer als gespaltene Persönlichkeit: Tagsüber Versicherungsangestellter im (viel zu großen) Anzug, in seiner Freizeit dann Schriftsteller. Ohne die Finanzierung durch den Alltagsberuf aber konnte er nicht schreiben.

Ob man wohl in 100 Jahren so von den Fassaden schwärmt, die in den 70er und 80er Jahren die deutschen Stadte überfluteten, wie wir heute von den barocken Häusern in Prag schwärmen?

Nach der Stadtführung gönnten wir uns erst einmal eine kleine Pause im Hotel, um am Abend dann frisch und munter wieder den Berg hinunter zu einem Restaurant zu gehen, das wir am Vorabend in einer kleinen Nebenstraße gefunden hatten: “U Zlaté Hrušky”, auf gut deutsch “Zur goldenen Birne”. Ein gehobenes Etablissement, das mit großer Wahrscheinlichkeit vor allem von den Angestellten der Ministerien, nicht aber – wie fast alle anderen Restaurants der Stadt – von den Touristen lebt. Die Speisekarte ist absolut international, es gibt eine sehr gute internationale Weinkarte, und das Personal ist hervorragend ausgebildet. Dieses Restaurant ist eindeutig einen Besuch wert.

Den Abschluss des Abends bildete dann wieder einmal der Besuch in einer touristenfreien tschechischen Eckkneipe, in der wir eine sehr nette Gesellschaft von jungen Männern kennen lernten, die gerade das Ende der Militärzeit eines Freundes feierten. Sehr interessant war dabei, dass diese Gruppe eine wilde Mischung aus Tschechen (teilweise mit deutschem Vater), Kroaten, Russen und Serben war. Und alle feierten fröhlich miteinander. Geht doch! So ganz nebenbei erfuhren wir, dass sich die junge Generation von Tschechen Deutschen gegenüber wegen der Vertreibung nicht ganz wohl fühlt. Vor allem, weil sie sehen, dass es niemanden gibt, der Ansprüche stellt.

Leider sind die Nachtaufnahmen nicht so geworden, wie wir uns das vorgestellt haben. Trotzdem möchte ich als Abschluss eine davon hier zeigen.

Ich habe vieles von dem, was wir hier in Prag erlebt und kennengelernt haben, ausgelassen oder einfach nicht erwähnt, weil man es sowieso in jedem Buch über Prag nachlesen kann, oder weil es zu persönlich ist, um hier veröffentlicht zu werden. Aber eines gilt auch jetzt in der Reflektion der Reise:

Prag ist eine Reise wert, auch wenn der Aufenthalt in der Stadt nur einen Tag dauert.

Heut geht’s mir gut. 😎

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